Geschichte der Bezirkshauptmannschaft Murau
Nach der 1848er Revolution in Wien verloren die Grundherrschaften durch die Aufhebung der bäuerlichen Untertänigkeit ihr Recht auf Verwaltung und Gericht. Eine Neuordnung des Reiches war notwendig geworden. Die Steiermark zerfiel in drei Kreise, den Grazer, Marburger und Brucker Kreis, und wurde in 19 politische Bezirke eingeteilt. Einer davon war der Bezirk Murau, der zum Kreis Bruck gehörte. Das Ende der Schwarzenbergschen Herrschaft als Verwaltungs- und Gerichtshoheit war damit gekommen.
Mit 1. Februar 1850 begann die Wirksamkeit der Kreisregierungen und der Bezirkshauptmannschaften. Von da an war die erste Ansprechstelle für die Staatsbürger die Bezirkshauptmannschaft als erste Verwaltungsinstanz, während die Kreisregierung die zweite Instanz war. In Murau war die Behörde im Haus des Johann Seyfert, Murau Nr. 16, am Raffaltplatz untergebracht. Im Zuge der abermaligen Hinwendung zum Neoabsolutismus in Wien wurden die voneinander getrennten Bezirkshauptmannschaften und Gerichte wieder vereinigt und bestanden ab 1854/55 als Bezirksämter. Auch in Murau wurde das Bezirksamt geschaffen, in dem nun wieder Verwaltung, Gericht und Steuereinhebung vereint waren. Bis 1869 war das Murauer Bezirksamt abermals im Schloss der ehemaligen Schwarzenbergschen Herrschaftsverwaltung untergebracht, ganz wie in alten Zeiten der Grundherrschaft.
Mit den im Dezember 1867 beschlossenen Staatsgrundgesetzen, die die österreichische Reichshälfte zu einer modernen Monarchie mit Verfassung machten, wurde die Gewaltentrennung bleibend eingeführt und so kam es 1868 wieder zur Trennung von Verwaltung und Gericht. Die Bezirksämter wurden aufgelöst und die Bezirkshauptmannschaften, Gerichte und Steuerämter voneinander getrennt und unabhängig neu installiert. Zum Bezirk Murau, mit dem Amtssitz der Bezirksgerichte in Murau, Oberwölz und Neumarkt, gehörten 1868 folgende 46 Gemeinden:
Murau: Murau, Predlitz, Einach, Stadl, Falkendorf, Ruprecht, St. Georgen ob Murau, Laßnitz, Stallbaum (Stolzalpe), Triebendorf, Rinegg, Ranten, Seebach, Krakaudorf, Krakauschatten, Krakauhintermühlen, Schöder, Tratten, Frojach, Katsch (20)
Oberwölz: Oberwölz, Winklern, Niederwölz, St. Peter, Peterdorf, Feistritz, Pöllau (7)
Neumarkt: Feßnach, St. Lorenzen, Scheifling, Lind, Perchau, Neumarkt, St. Marein, St. Georgen, Zeutschach, Adendorf, Dürnstein, St. Veit, Kulm, Mühlen, Jakobsberg, St. Margarethen, St. Blasen, St. Lambrecht, Teufenbach (19)
Mit 1. Juli 1870 wurden die Kanzleien der neuen Bezirkshauptmannschaft wieder in die Stadt zum Raffaltplatz verlegt. Die Stadtgemeinde Murau bemühte sich für die Bezirksbehörde ein eigenes Amtsgebäude zu beschaffen. So kam es auf Beschluss des Gemeindeausschusses vom 4. November 1892 zum Mietvertrag um das Haus Murau Nr. 58 zwischen der Stadtgemeinde Murau und der Bezirkshauptmannschaft. Zwei Jahre wurde umgebaut und ab 1894 waren die Kanzleien in diesem Gebäude untergebracht, das heute die Adresse Schillerplatz Nr. 7 hat. Nach dem Ersten Weltkrieg und dem Untergang der Monarchie wurden die Bezirkshauptmannschaften mit ihren ehemaligen k. k. Beamten in der Ersten Republik den Ländern zugeordnet. An die Stadtgemeinde musste nun die jährliche Miete für das Amtsgebäude von der Landesregierung bezahlt werden, die sehr säumig war und die Miete in den Jahren 1924 bis 1932 überhaupt schuldig blieb.
1938 kam es zum Anschluss an das Deutsche Reich und von 1939 bis 1945 wurde im Zuge der nationalsozialistischen totalitären Herrschaft die Bezirkshauptmannschaft in Landratsamt umbenannt. Mit 1. Jänner 1939 mietete sich in das Amtsgebäude auch die Kreisbauernschaft Murau ein. Am 30. März 1942 verkaufte die Kreisstadt Murau die Liegenschaft Nr. 58 (später Schillerplatz Nr. 7) um 35.000 Reichsmark an den Landkreis Murau. Im Mai 1945 - nach Beendigung des Zweiten Weltkrieges - nahm die Bezirkshauptmannschaft als solche wieder die Arbeit auf. Bereits 1948 kam es zum Ausbau des Dienstgebäudes und zu einer Verbesserung des Zuganges. 1952 dachte man schon an eine Aufstockung, aber vorerst wurde nur die Umgestaltung des Erdgeschoßes für das Sanitätsreferat mit einer Röntgenanlage durchgeführt. Am 17. Juni 1960 wurde dem Gemeindeverband Murau, der für das Gebäude zuständig war, die baubehördliche Genehmigung für die Aufstockung des nördlichen und östlichen Gebäudeteiles erteilt. Am 4. Mai 1961 gab es bereits die Benützungsbewilligung für den Gemeindeverband und am 15. Dezember 1961 wurde der Bau eines Kleinlastenaufzuges für 100 kg bewilligt.
Das Land Steiermark mietete seit dem Jahr 1949 das Gebäude vom Gemeindeverband, der 1977 in Sozialhilfeverband Murau umbenannt wurde. Das Land versuchte 1978 noch das Gebäude vom Verband zu kaufen und einen Zubau zu machen, da es dislozierte Büros gab. Nach 1992 hat es dafür keine Versuche mehr gegeben, dafür wurde ein Neubau ins Auge gefasst und mit der Bauplatzsuche begonnen. 1996 gab es dazu einen Architektenwettbewerb. W. Tschapeller und F. Schöffauer setzten ab 1999 ihren Plan in die Tat um. Ab dem 10. Dezember 2001 wurde gesiedelt. Am 17. Dezember 2001 begann die volle Arbeit aller Referate im neuen Haus mit Adresse Bahnhofviertel Nr. 7 in Murau.
(K. Thierrichter)
Literatur und Quellen:
Brunner, W., Murau, Band 1, 1998
Obersteiner, G., 120 Jahre Bezirkshauptmannschaft Voitsberg, Festvortrag 2011
Posch, F., Vorgeschichte und Anfänge der Bezirkshauptmannschaften in der Steiermark, Festvortrag 1968
Tscherne W., Gebhard H., Geschichte der Bezirkshauptmannschaft Deutschlandsberg, 2001
Wieland, W., Murau, Band 2, 1998
Wielinger, G., 125 Jahre Bezirkshauptmannschaften: Zur Geschichte einer Institution, die sich bewährt hat, Festvortrag 1996
Gemeindeverzeichnis von 1850, Politische Eintheilung des Herzogthums Steiermark von 1868, beides im Landesarchiv
Bauakten im Stadtgemeindeamt Murau, Akten im Sozialreferat der Bezirkshauptmannschaft